Fachthemen, für Chefs, für Gäste, für Mitarbeiter

Fachkräftemangel – homemade?

+++ update 02/2023: dieser Beitrag s.u. ist nun schon 4 Jahre alt und aktueller denn je. Seit Jahren weiß das Gastgewerbe um den gravierenden Fach- & Arbeitskräftemangel Bescheid, der sich jedes Jahr vergrößert. (In anderen Branchen ist allein schon demografisch bedingt ein ähnlicher Trend zu beobachten). Erste Lösungen, um die Attraktivität zu steigern („größere“ Erhöhung der Tariflöhne und Ausbildungsvergütungen, teilweise Angebot von 4 Tage-Wochen & Homeoffice) sind in Sicht. Aber zu spät. Die Coronapandemie hat die Problematik noch verschärft – vor 2020 galt ein Job im Gastgewerbe immerhin als relativ krisensicher, auch das hat sich nun erledigt. Die Branche hat unzählige Fachkräfte verloren.

Das Image muss verbessert werden – logisch, aber es darf keine leere Marketinghülse bleiben, es muss auch etwas dahinter stehen. Der Megatrend „nachhaltige Entwicklung“ könnte entscheidend dazu beitragen, Mitarbeiter wieder zu begeistern, da ihre Ideen gefragt sind, da sie mitentscheiden & entwickeln dürfen. Und vor allem junge Menschen, die sehr affin für dieses Thema sind, könnten so für das Gastgewerbe gewonnen werden. Arbeit sollte Spaß machen, Sinn stiften, die grauen Zellen fordern und die Gesellschaft weiterentwickeln. Das Gastgewerbe als Gamechanger (dazu bald mehr in einem separaten Blogbeitrag). Auch unentdeckte Talente könnten so angesprochen & gewonnen werden. Best-Ager, Menschen mit Behinderungen, Menschen in Teilzeit, Menschen aus dem Ausland, einfach alle, die gern im Team & für unsere Zukunft arbeiten wollen 🙂

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Dieser Beitrag im Folgenden bezieht sich auf das Gastgewerbe (Schwerpunkt: Hotellerie), lässt sich aber auch an Stellen auf andere Branchen übertragen.

Die größen Jobkiller:

a) Bezahlung –> teilweise homemade

b) Arbeitszeiten –> nicht homemade

c) unterschätze „Sonstige“ –>homemade!!!! s.u.

Antwort: „Nein“ – nicht homemade (Jobkiller a):

Dazu ein kleiner Exkurs zur Volkswirtschaftslehre –> Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Im Hotel: den Zimmerpreis. Aktuell erlebt die deutsche Hotellerie einen regelrechten Höhenflug. Stetig wachsende Gästezahlen aus dem In- und Ausland rufen aber auch unzählige Investoren auf den Plan, die sich verständlicherweise schnell die besten Standorte sichern und somit ein dickes Stück vom Kuchen abschneiden wollen. Was passiert? Der Zuwachs an Hotelbetten wächst in einigen Städten deutlich stärker als die Gästenachfrage. Für die Gäste (Stichwort: Auswahl und geringe Preise) & die Städte (Stichwort: Gewerbesteuer) gut. Für Hoteliers und Mitarbeiter schlecht, denn der Wettbewerb wird umso härter –> um konkurrenzfähig zu bleiben, wird in low Seasons häufig der Zimmerpreis gesenkt, was zu weniger Umsatz führt. Also müssen auch die Kosten runter, das heißt, offene Stellen werden nicht nachbesetzt, Gehälter steigen nur geringfügig und man verliert wieder gut ausgebildete Kräfte, die in lukrative Branchen wechseln. Herzlichen Glückwunsch.

Daher mein 1. Appell: Liebe Städte & Gemeinden, liebe Politik, bitte prüft vorab genau, wie der bisherige Hotelmarkt ausgelastet ist und ob diese Auslastung noch eine neue Bettenburg verträgt. (Dazu gibt es ein wunderbares Tool, und zwar den Future-Performance-Index (FPI), entwickelt von der Horwarth HTL. Dieser Index setzt das Verhältnis von geplanten Bettenkapazitätenzuwächsen zu prognostizierter Nachfrageentwicklung in verschiedenen Städten ins Verhältnis). Natürlich möchte man dem Wettbewerb nicht schaden und auch nicht auf weitere Gewerbesteuereinnahmen verzichten. Nur wenn am anderen Ende der Kette nicht mehr wettbewerbsfähige (häufig kleiner) Betriebe schließen, fällte deren Gewerbesteuer schonmal weg. Und selbst wenn keiner schließt und alle Hotels bei einer Durchschnittsauslastung von 50 % und weniger krebsen, muss man sich doch die Frage stellen, ob man die verbrauchten (und nur halb genutzten Flächen) nicht sinnvoller verwenden könnte, z.B. für Wohnraum in den großen Städten. Aber hier nur meine Sicht….

Mein 2. Appell: Liebe Gäste & Firmen, bitte bucht DIREKT im Hotel und wählt nicht irgendwelche Drittanbieter, die gern mit einem OFF von -70 % und mehr werben. Wie soll das gehen? Wie kann man z.B. für 99 € pro Person zwei Übernachtungen mit Vollpension, Massage und Zimmerupgrade inklusive Sekt erwarten? Dass ein Hotel seinen Mitarbeitern davon überhaupt den Mindestlohn zahlen kann, grenzt ja schon an ein halbes Wunder. Auch Tagungsanfragen über Portale sind für Hotels zum Haare raufen. Die gleiche Leistung, oft mehr Arbeit durch komplizierte Angebotsabgabe über diese Portale, die dafür dann vom Hotel! noch üppige Kommissionen (ca. 10 – 20%) verlangen… Wie soll das gehen? Müsste der Gast/Firma als Auftraggeber diese Gebühren zahlen, dann würde er wahrscheinlich direkt buchen! Damit wir uns nicht falsch verstehen: natürlich haben auch Reisemittler ihre Daseinsberechtigung, solange Kommssionen wenigstens im vernünftige Rahmen bleiben! Ohne Hotels & Co. keine Reisemittler, umgekehrt schon 😉

Antwort: „Ja“ – homemade (Jobkiller c).

Liebe Hoteliers, liebe Gastronomen, die oberste Priorität muss, neben der Wirtschaftlichkeit, auf den Mitarbeitern liegen! Sie sind essenziell für die Branche. Sie sind die USP´s der Betriebe. Ohne sie gäbe es keinen wirtschaftlichen Gewinn. Gar keinen. Zero. Dass die oben geschilderten Umstände des Käufermarktes keine großen Lohnanpassungen und humane Arbeitszeiten zulassen, ist ja quasi gesetzt. Aber es gibt viel weiter gehende Aspekte, die Mitarbeiter binden bzw. gewinnen lassen, hier mein 3. Appell an die Betriebe/Gastgewerbe selbst:

  1. Unbefristete Verträge: eine ziemlich simple Stellschraube, an der leider noch viel zu selten gedreht wird. Das Gesetz erlaubt Befristungen bei Neueinstellungen bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren. Die Praxis im Gastgewerbe sieht meist so aus, dass ein Jahr befristet wird und dann nochmal ein Jahr, bevor ein unbefristetes Arbeitsverhältnis folgt. Frage: Warum stellt man dem Arbeitnehmer nicht in Aussicht, bei guter Leistung bereits nach einem Jahr („schon“) einen unbefristeten Vertrag zubekommen? Motivation² – es kann so einfach sein 🙂
  2. Das Team: gerade im Gastgewerbe wird das Team oft als Familiy bezeichnet, mit der man einen Großteil seines Lebens teilt, privat gut befreundet ist und die man nicht so schnell für ein besser dotiertes Jobangebot aufgeben würde. So – keep this team spirit! (Und langjährige Mitarbeiter wirken sich übrigens auch positiv auf das Image des Hotels bei Gästen aus).
  3. Arbeitspensum: wie oben erwähnt werden gern zur Kostenreduzierung offene Mitarbeiterstellen nicht nachbesetzt. Natürlich in Folge sinkender Umsätze. Wenn diese aber nur sinken, weil aufgrund des Wettbewerbes der Preis fällt, heißt dass nicht, dass weniger Gäste da sind. Spart man sich die Stelle ein, müssen weniger Mitarbeiter die gleiche Arbeit verrichten. Und zu welchen Lasten geht das? Auf die Gesundheit. Krankheitsfälle häufen sich, gestresste Mitarbeiter kündigen schweren Herzens und es fehlt noch mehr Manpower. Ein Teufelskreis! – Also nicht am verkehrten Ende sparen!
  4. Mitarbeiterverpflegung: wenn einer hierfür die beste Voraussetzung hat, dann ja wohl das Gastgewerbe mit einer eigenen Küche. Doch das Personalessen lässt in vielen Betrieben doch eher an ein Resteessen denken. Grundsätzlich nicht schlimm, wenn es schmeckt, immer noch vitamin- und vor allem abwechslungsreich ist und alle! davon essen – also auch die Führungskräfte.
  5. Wertschätzung: jeder Mensch möchte gesehen werden – das liegt in unserer Natur. Und jeder braucht ein klein wenig Anerkennung, Wertschätzung und Lob. Egal ob Azubi, Aushilfe, Fachkraft oder Praktikant. Egal welche Abteilung. Jeder erfüllt mit seinem Job einen wichtigen Teil im Getriebe und genau so sollte man jeden! im Team auch behandeln – mit Respekt.
  6. Sonderzuschläge: auch wenn z.B. Nachtarbeitszuschläge für vertretende Mitarbeiter keine Pflicht sind, warum zahlt man sie nicht trotzdem? Wer stellt sich schon gern freiwillig nächtelang an die Rezeption, um sich dann am freien Tag auszuschlafen um für den darauffolgenden Frühdienst fit zu sein? Wie war das nochmal mit der Wertschätzung? Gleiches gilt für Wochenend- und Feiertagszuschläge (manche Restaurants veranschlagen zu diesen beliebten Stoßzeiten schon höhere Preise bei den Gästen, ein guter Trend!) – es werden sich garantiert plötzlich Freiwillige zum Dienst an diesen Tagen melden.
  7. Einbindung: die Frage ist, will ich als Unternehmen einfach nur ausführende Mitarbeiter, die tun, was ihnen gesagt wird oder will/braucht man Mitarbeiter, die auch mal mitdenken und ihre Meinung äußern dürfen? Natürlich Letzteres, wozu gibt es schließlich Ideenbörsen etc.. Auch die Übertragung von Verantwortlichkeit ist eine prima Motivation und stärkt die Mitarbeiterbindung.
  8. Soziales Engagement: wie wäre es, wenn man mit seiner Arbeit (die ja schließlich einen Großteil seiner Lebenszeit ausmacht) noch etwas Gutes tun könnte, anstatt nur dafür zu Sorgen, dass das Unternehmen schöne Gewinne einfährt? Viele Firmen bieten daher einige Aktionen pro Jahr für den guten Zweck an, an denen sich die Mitarbeiter gern beteiligen können. Ein separater Beitrag dazu ist hier von mir zu finden.
  9. Unbezahlter Urlaub: es gibt Dinge im Leben, die sucht man sich nicht aus und sie kommen trotzdem. Manchmal braucht man dann einen kleinen Break – häufig sofort, was für einen Betrieb nicht immer ganz unkompliziert ist. Wenn man diese Problematik als Chef ignoriert, um dem Mitarbeiter helfen zu können, hat man etwas Entscheidendes verstanden: dass der Mensch zuerst zählt. So bleiben Mitarbeiter treu und empfehlen das Unternehmen auch gern weiter (nicht, weil sie dafür Geld bekommen), sondern einfach weil sie gern dort arbeiten 🙂

Fazit/Ausblick:

Um die oben genannten Probleme auszugleichen, wird es verschiedene Kraftanstrengungen benötigen. Zum einen gilt es, dass Image der Branche deutlich aufzupolieren – hier ist u.a. der Verein ‚Fair Job Hotels e.V.‘ am Werk, der sich für die konsequente Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Hotellerie einsetzt und aktiv um Einsteiger in diese Branche wirbt.

Darüber hinaus bietet der technische Fortschritt einiges an Potenzial, wenn es darum geht, zeitintensive Arbeitsabläufe zu vereinfachen, z.B. Dienstplanprogramme, automatische Rechnungerfassung, digitaler Check-in (sofern die händische Unterschriftsproblematik auf dem Meldeschein jemals geklärt wird), und und und – hier wird fleißig getüftelt. Hotelroboter sind ebenfalls auf dem Vormarsch – was man nicht immer als positiv bewerten muss (Stichwort: Persönlichkeit!)

Und natürlich sind und bleiben Arbeitskräfte aus dem Ausland ein wichtiges Standbein für das Gastgewerbe, das gerade von dieser Vielfalt lebt und diese Branche so weltoffen macht ❤

Plus: die Wertschätzung dieses stark serviceorientierten Berufes muss sich ebenfalls deutlich in unserer Gesellschaft verbessern. Sätze wie: „die Bedienung war nicht freundlich, da kriegt sie auch kein Trinkgeld“ sind einfach ohne Worte…. Wer kann schon acht Stunden Dauer-Gute-Laune, jeden Tag?

P.s. Hier noch ein kleiner Denkanstoß für die gesamte Hotelbranche, eine kleine Idee by Wippi: Warum keine Kampagne starten, sodass bei jeder Direktbuchung 5 % vom Umsatz direkt an die Mitarbeiter gehen? Die Kommunizierung dieser Kampagne dürfte ein Selbstläufer sein. Und der Knackpunkt „niedrige Löhne“ könnte endlich in Angriff genommen werden. Das sollte man vielleicht mal durchrechnen 😉