Farbenprächtige Kostüme, spritzige Musik aus riesigen Bassboxen, lachende & tanzende Menschen – das ist der Carnival der Kulturen, den es bereits seit 1997 im Juni jeden Jahres in Bielefeld gibt (übrigens auch seit 1996 in Berlin als Karneval der Kulturen).
Weltoffenheit, Toleranz, fröhliches Miteinander, das Leben feiern, Glück teilen – der Carnival ist eine bunte fröhliche Mischung aus Menschen, unterschiedlichster Couleur, die sich in über 70 verschiedenen Gruppen an der internationalen Parade quer durch die Innenstadt beteiligen.
Seit einigen Jahren begleite ich selbst eine dieser Gruppen, und zwar die Theatergruppe Tapetenwechsel, der im Stadtteil Bethel wohnende Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen angehören. Und auch, wenn die gesamt Strecke der Parade durch die Stadt, die sich über mehrere Stunden zieht, sehr anstrengend ist, so ist es mir Jahr für Jahr eine Ehre, diese Gruppe begleiten zu dürfen. Die Freude der Teilnehmer in ihren strahlenden Gesichtern haut nah mit zu erleben ist einfach fantastisch. Und so geht es wohl allen Menschen, die in dieser Straßenparade aus über 2000 Teilnehmern mitlaufen, ob Theater- oder Künstlergruppen, Tanz- oder Musikgruppen, Kita- oder Schulgruppen, soziale Einrichtungen oder Menschenrechtsgruppen – alle tragen dazu bei, dass an diesem Tag eine ganze Stadt tanzt, positive Energie sammelt und sich multi-kulti zeigt.
Und während man so in der Parade mitläuft, am Anfang noch etwas zögerlich den klatschenden Zuschauern zuwinkt, so geht man doch schnell völlig auf in diesem Menschenbad aus guter Stimmung und Anerkennung für die einzelnen Showkünste der Teilnehmer. Zuschauer stehen & sitzen an den Straßenrändern, lehnen aus ihren Fenstern oder tanzen auf ihren Balkonen, viele von ihnen sind selbst verkleidet. Die meisten klatschen, sobald man vorbei läuft und manche beobachten einfach nur schmunzelnd das bunte Treiben.
Da die Parade nicht gerade flott unterwegs ist, schaffe ich es meistens sogar in jedes einzelne Gesicht der Zuschauer zu blicken. Dabei winke ich ihnen zu. Jedem von ihnen. Ohne Ausnahme. Ich blicke in tausende Gesichter, es sind nur Sekunden Bruchteile und doch entsteht bei fast allen etwas Wunderbares – ein Moment, in dem der andere merkt, dass er gesehen wird, wirklich gesehen. Ich winke nicht in die Menge, sondern ich versuche, jeden Einzelnen (das klappt zwar nur auf einer Straßenseite, denn so Multitasking bin ich nun auch nicht) von ihnen mit meinem Blick zu erreichen. Für einen kurzen Moment diesem einen Mensch das Gefühl zu geben, dass ich ihn meine. Und was passiert? Fast alle, auch wenn manche vorher noch so gedankenverloren schauten, winken zurück, lächelnd, zögerlich, überrascht, freudig und dankbar.
Und genau das ist der Grund, warum ich diesen Blogbeitrag überhaupt verfasse und ihn zu ‚Das Leben‘ alias ‚Menschen & Glück‘ einsortiere. Für mich persönlich sind solche Begegnungen pures Glück. Mit einem einfachen ehrlichen Lächeln, mit Lachfalten um die Augen und Grübchen um die Mundwinkel zusammen mit anderen Menschen ein Stück Glück zu teilen. Sie für einen Moment aus ihren Gedanken des rauen Alltags zu reißen und sie abzuholen, in das Hier und Jetzt. In das Leben, welches gerade passiert. Vor ihren Augen. Welches man auch einfach mal genießen darf, so wie man ist. Es geht um nichts. Nicht um Erfolg, nicht um Anerkennung, nicht um Machtkämpfe oder gesellschaftliches Standing. Jeder darf so sein, wie er mag. Jeder darf leben, so wie er ist.