Es war im Juni 2016, an einem belebten Platz mitten in Oslo. Die Menschen eilten vorbei, das Leben pulsierte und wir waren damit beschäftigt einen märchenhaften Springbrunnen zu knipsen, der sich in der Form einer großen Pusteblume in der Abendsonne präsentierte. Wir bemerkten nicht die Straßenmusikerin, die unscheinbar im Hintergrund ihre Gitarre samt Verstärker in Stellung brachte. Und plötzlich erhob sich ihre zauberhafte Stimme, die sofort unter die Haut ging. Ich fühlte eine wohlige Gänsehaut und der ganze Platz stand still. Ergriffen von einer unglaublichen Magie, die sich durch die Sommerluft zog, verfeinert von Wärme und Leidenschaft.
Ich beobachtete die Menschen um uns herum, die scheinbar genauso von dieser Magie angehalten wurden, wie ich. Die Leute sahen von ihren Gesprächen auf, ließen ihre Handys sinken, stoppten ihren schnellen Schritt (mit denen sie gerade diesen Platz eilig überqueren wollten), Fahrradfahrer blieben stehen und sogar ein Hund hat sich mit den Vorderbeinen auf der Fahrradstange seines Frauchens aufgestellt, um scheinbar der Musik zu lauschen. Das Leben auf diesem Platz hatte sich mit einem Mal völlig verändert. Wir setzten uns auf eine kleine Steinmauer und lauschten voller Überwältigung – das es so was Feines überhaupt geben konnte. So etwas Schönes, was hunderte Menschen verband – einfach so.
Doch dann passierte etwas fast noch viel Ergreifenderes. Ein etwas älterer Mann (ca. um die 50 und eher ungepflegt wirkend) kam auf seinem Elektroskooter um die Ecke gebogen und fuhr mitten auf den Platz, sodass er ungefähr 5 Meter vor der Musikerin zum Stehen kam. Im Spiegel seines kleinen Fahrzeuges legte er sein Haar zurecht, als wollte er sich für diesen besonderen Moment etwas schick machen. An seinem Skooter hing eine Plastiktüte und ich nahm an, dass sie mit Bier und Zigaretten gefüllt war (vielleicht war das aber auch nur ein dummes Vorurteil von mir). Nachdem er ca. 20 Minuten den schönen Balladen der Musikerin gelauscht hatte, begann er auf einmal in seiner Plastiktüte zu wühlen und ich ahnte schon, was er gleich Wundervolles tun würde 🙂
Ihr wisst es? Ja genau, er nahm ein kleines Portemonnaie aus der Tüte und holte etwas Geld daraus hervor (falls es nicht sogar der ganze Inhalt war). Dann fuhr er mit seinem Skooter los und kam direkt vor dem ausgebreiteten Koffer für Spenden der Musikerin zum Stehen und ließ tatsächlich einen Geldschein! in den Koffer gleiten. Ein wahnsinniger Moment – Tränen schossen unwillkürlich in meine Augen, so unglaublich gerührt war ich von dieser Geste, von dieser Szene und von dem Mann an sich …
Und genau deswegen erzähle ich Euch diese kleine Anekdote. Man muss nicht am Place to be gewesen sein, man muss nicht die Crème de la Crème essen oder tragen, man muss nicht im teuersten Auto sitzen und den höchsten Bildungsabschluss haben. Man muss noch nicht mal schön oder beliebt sein. Das Einzige was nicht schaden kann, ist ein freundliches Herz. Ein Herz, das selbst dann noch teilt, auch wenn es selbst nicht viel zum Teilen besitzt. Ein Herz, welches es versteht, mit seiner glockenhellen Stimme die Herzen anderer Menschen zu berühren. Und ein Herz, welches sich berühren lassen und mit anderen mitfühlen kann.