Sie nahm nochmal einen üppigen Atemzug, dann tauchte sie unter. Unter die Wasseroberfläche. Sie machte ein paar kräftige Züge und tauchte nach einigen Metern wieder auf. Das Ganze wiederholte sie. Und nochmal. „Heute schwimme ich nur so viele Bahnen, wie ich möchte. Ohne Ziel vor Augen“. Selten hat sie sich so unendlich frei gefühlt.
Dabei müssten wir uns in Europa und gerade in Deutschland doch jeden Tag außerordentlich frei fühlen, oder etwa nicht? Schon alleine unser Reisepass erlaubt uns relativ problemlos die Einreise ist fast jedes Land dieser Welt (ok, ab und an ist mal ein Visum nötig ;-)). Wir leben in einem sicheren Land, sind im Durchschnitt überdurchschnittlich wohlhabend, gebildet, geimpft, gut genährt und haben für jede erdenkliche Kleinigkeit eine Versicherung, damit uns auch bloß nicht die ungetrübte Stimmung abhanden kommt.
Aber warum blickt man auf der Straße so oft in versteinerte Mienen?
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man wahrscheinlich gerade mit seiner ToDO beschäftigt ist, die täglich länger und länger wird, weil einem immer neue Dinge einfallen, die noch zum Glück fehlen. Die erledigt werden wollen. Damit wir uns anschließend befreit fühlen. Und dann? Ab in den Urlaub, die eigene Welt für ein paar Tage oder Wochen vergessen und bloß nicht daran denken, was ist, wenn man zurückkommt. Kurz Freiheit schnuppern, bevor es zurück in den Käfig geht…
In welchen Käfig? In den, den wir uns selbst gebaut haben!? Ok, man muss fairerweise sagen, dass unsere Mitmenschen am Bau beteiligt waren. Doch kommen wir erst zur Marke „Eigenbau“: Wie gern möchten wir einen glanzvollen Lebensweg an den Tag legen. Fröhliche Kindheit, toller Schulabschluss, angesehenes Studium o. Ausbildung, steiler Karriereweg, interessante Freunde, große Hochzeit, vorzeigbare Kinder, lange Reisen, gutes Essen, kein Falten und eine üppige Rente. Und dann? Kiste zu, Affe tot.
Aber Hauptsache, man ist zu Lebzeiten nie aus der Spur getanzt. Dafür sorgt schon die gesellschaftliche Kontrolle. Klar, sonst würde das ganze System ja scheinbar auch nicht funktionieren…
Und was ist, wenn man aussteigt?
Wenn man tief Luft holt und einfach mal abtaucht. Seine Bahnen ganz alleine zieht, ohne Ziel, das man zu einer gewissen Uhrzeit mit Bravour erreicht haben MUSS. Dann ist man seiner ganz eigenen Freiheit ein gewaltiges Stück näher gekommen. Nur leider muss man ja auch irgendwann wieder auftauchen.
Aber vielleicht hat sich der Blick auf die Dinge, sagen wir auf das Leben, ein klein wenig geändert. Vielleicht ist man entspannter geworden. Mit sich selbst. Und mit anderen. Vielleicht gibt man nicht mehr so viel auf den Tratsch Dritter, die meinen, sie müssten Dein Leben beurteilen, da sie scheinbar keine eigenen Baustellen haben. Vielleicht gibt man auch nicht mehr täglich 110 %, da auch 97,5 % dicke reichen. Vielleicht möchte man einen anderen Weg einschlagen, als das oben skizzierte Muster.
Vielleicht möchte man auch mal scheitern dürfen. Verzweifel. Mit sich hadern. Weinen. Jeden Mut und jede Beherrschung verlieren. Aufgeben. Seine langjährige Überzeugung/Meinung revidieren. Sich neu erfinden.
Vielleicht möchte man auf einfach nur mal für ein paar Tage in den Tag hinein leben (so wie im Urlaub). Essen wann man möchte. Spazieren gehen wann man möchte. Schlafen wann man möchte. Und wenn es sein muss, auch mitten in der Nacht aufzustehen, um diese Gedanken hier zu Papier oder eben zum Blog zu bringen.
Freiheit beginnt im Kopf! Geh Deinen Weg ❤