23,5 € gibt ein Verbraucher in Deutschland pro Jahr(!) für fair gehandelte Produkte aus (Stand 2021, Quelle: Forum Fairer Handel) und wie viel für das neuste Smartphone?
Hand auf´s Herz – wie viele fair gehandelte oder/und als fair ausgezeichnete Produkte landen in Deinem Einkaufskorb? Wie viele faire Kleidungsstücke schlummern in Deinem Schrank? Bis vor Kurzem musste ich diese Frage selbst noch mit null beantworten. Fair??? Hatte man schon von gehört, für gut befunden, ein Teil von gekauft und dann doch wieder vergessen. Schließlich laufen einem faire Produkte ja auch nicht massenhaft im Alltag über den Weg. Dafür sind es andere Massen, billige (und bei Kleidung auch teure), für die die Rohstofflieferanten und Produzenten am anderen Ende der Welt meist wie eine Zitrone ausgepresst werden –> Squeezing nennt man das. Diesen Begriff hatte ich übrigens vor ein paar Monaten auch noch nie gehört:
„Wie viele Sklaven halten Sie?“ – dieses großartige Buch von Evi Hartmann, Professorin für Betriebswirtschaft, war meine letzte Urlaubslektüre. Schwer verdaulich aber sehr Augen öffnend.
Man kennt zwar das fiese Spiel des Lieferanten-Ausquetschens, schaut beim Einkauf vielleicht mal auf das Etikett, verdreht die Augen bei „Made in Bangladesch & Co.“ aber kaufen tut man das Teil am Ende doch, weil‘s so schön ist. Hat man überhaupt die Wahl, nach einem fairen Teil zu greifen? Ja man hat, doch dafür müsste man erstmal wissen, wo sich der nächste Store mit fairer Kleidung befindet (faire Kleidung kann übrigens ganz schön schick sein). Und der nächste Weltladen liegt schließlich auch nicht direkt neben dem nächsten Supermarkt. Nicht, dass Letztere keine fairen Produkte im Sortiment hätten, doch diese kann man fast an zwei Händen abzählen und stehen so weit oben im Regal, dass es für kleine Menschen (ich zähle auch dazu :-p), fast schon schwierig wird, danach zu greifen bzw. das Produkt überhaupt erstmal in Augenhöhe vorzufinden, um darauf aufmerksam zu werden.
Aufmerksamkeit – Bewusstsein – Handeln
Und genau das ist das Problem: die Aufmerksamkeit. Das Bewusstsein. Das Handeln. Nehmen wir mal unser Lieblingsgetränk in Deutschland, den Kaffee: der Anteil an fair gehandeltem Kaffee liegt hierzulande bei gerademal um die 6 % (Stand 2021, Quelle: Forum Fairer Handel), Tendenz immerhin steigend. Ja, besser als nichts, aber mal ganz ehrlich – da geht doch wohl noch was? Natürlich ist das Argument verständlich, dass fairer Kaffee (und natürlich auch die anderen Produkte wie z.B. Tee, Reis, Schokolade etc.) teurer und somit für viele erstmal scheinbar nicht erschwinglich ist. Aber wenn das das Problem ist – wie sieht es mit der Überlegung aus, dass man vielleicht mal seinen Konsum ein ganz klein wenig einschränkt, um fair zu bleiben? Dass man pro Tag eine Tasse Kaffee weniger trinkt oder einen kleinen Kaffee anstatt einen großen bestellt? Dass man ein T-Shirt weniger kauft (das würde auch die Übersicht in so manchem Kleiderschrank erhöhen und die Umwelt schonen!)? Die Produzenten fragt schließlich auch keiner, ob sie sich „unsere“ Rohstoffproduktion überhaupt zu den Weltmarktpreisen leisten können. Es bleibt ihnen meistens gar nichts anderes übrig. Ob man dauerhaft davon leben kann und was es mit Menschen macht, die tagtäglich unter menschenunwürdigsten Bedingungen in Textilfabriken ihre Gesundheit „für uns“ opfern – darüber denken wir beim Einkauf leider noch viel zu selten nach. Doch es scheint einen langsamen, positiven Wandel zu geben.
Positive Entwicklung in Sicht – „fair“ wird Trend
In vielen Teilen Deutschlands gibt es schon „Fairtrade-Städte“, die faire Produkte in öffentlichen Einrichtungen wie z.B. Schulen ausgeben. Außerdem bietet eine gewisse Anzahl an Gastronomiebetrieben, Blumengeschäfte und Einzelhändler faire Produkte an. Für jede Stadt steht natürlich auch ein Ansprechpartner bereit – also bitte zugreifen 🙂 Wenn man sich die Karte mit Fairtrade-Städten anschaut, ist man erstmal super positiv überrascht, wie flächendeckend dieses Netzwerk schon ist. Mittlerweile sind fast 800(!) Städte ausgezeichnet, viele weitere sind gerade in Bewerbung dafür.
Auch die Gastronomie kann sich Deutschland mit über 20.000 Betrieben, die Fairtrade Produkte anbieten, schon ganz gut sehen lassen (auch wenn das gerade mal nur etwa 10 % aller Gastronomiebetriebe sind). Wenn ich ehrlich sein darf – bisher sind mir auch hier die Fairtrade Produkte & Co. nicht wirklich aufgefallen. Also Ihr lieben Gastronomen und auch an die Hoteliers: ran da! Es muss ja nicht gleich die ganze Produktpalette sein – Kaffee & Tee könnten ja schon mal den Anfang machen. Als Pilotprojekt könnte man ja auch zunächst beides anbieten, also konventionelle Produkte und die fair gehandelten. Da darf der Gast selbst entscheiden, wie fair er denn sein möchte. Ich bin sicher, er wird uns positiv überraschen 🙂
Chancen für die Gastronomie & Hotellerie
Doch es geht nicht nur um Lebensmittel, sondern auch um Textilien, die gerade in der Gastronomie und Hotellerie eine große Bedeutung haben und in unzähligen Bereichen zum Einsatz kommen. Wie wäre es also mit Tischwäsche, Bettwäsche und Uniformen aus zertifizierten Materialien? Übrigens gibt es auch schon faire Kosmetikprodukte, nur mal so ganz nebenbei.
Der Nutzen für den Gast: im Urlaub oder auf Geschäftsreise so ganz zwischendurch an diese Thematik herangeführt zu werden, die Produkte einfach mal zu testen und sich von der ausgezeichneten Qualität begeistern zulassen. Vielleicht bleibt ja ein bisschen davon für Zuhause und die tägliche Routine hängen. Vielleicht erzählt man auch seinen Liebsten davon. Vorausgesetzt natürlich, der Gast wird auf das Angebot überhaupt aufmerksam, aber dafür kann man als Unternehmer wunderbar kostenfreie Infomaterialien bestellen (z.B. von Fairtrade Deutschland).
Der Nutzen für den Gastronom/Hotelier: der erste Gedanke gilt jetzt bestimmt den erhöhten Produktbeschaffungskosten. Ja, richtig, aber dafür bekommt man nicht nur bessere Qualität, die noch dazu fair und nachhaltig produziert wurde, sondern auch ein positives Image sowie neue Gäste, die speziell nach diesen Angeboten suchen. Auf der Seite von Fairtrade Deutschland gibt es sogar einen Gastrofinder, wo sich Gastronomiebetriebe mit Fairtrade Produkten im Sortiment registrieren können, damit der Verbraucher sie in der Städte-Suche findet. Eine super Sache, und wenn man bedenkt, dass bisher erst wenige Gastronomiebetriebe dort zu finden sind, ist das aufjedenfall ein Geheimtipp um sich als einer der Ersten von seinen Mitbewerbern abzuheben und auf der „fairen Trendwelle“ einer besseren Welt entgegenzureiten. Einer Welt, in der jeder geachtet und menschenwürdig behandelt wird, damit er leben kann!