Fachthemen, für Chefs, für Gäste

Erlebniswelten – alles nur Show?

Der süße Duft von Popcorn, an den Mundwinkeln die Reste von rosa Zuckerwatte, die obligatorische Jahrmarktsmelodie im Ohr, die Füße noch nass von der Wildwasserbahn und die Augen strahlend vor Begeisterung.

Dieses einmalig schöne Gefühl haben wir bestimmt alle schon erlebt. Ein Besuch im Freizeitpark. Mit Freunden, Familie, dem Liebsten. Wochenlange Vorfreude. Und dann ist es soweit – abtauchen in eine magische Welt der Faszination. Eine Traumwelt, geschaffen durch Inszenierung sowie durch Illusion & Imagination. Ein unglaubliches Erfolgsmodell! Und das seit vielen Jahren. Trend: auf Wachstumskurs. Warum: weil immer mehr Menschen aus ihrem Alltag entfliehen wollen.

Das Buch auf dem Titelbild „Erlebnisse schaffen“ (Matthaes Verlag) bekam ich vor ziemlich genau einem Jahr zu meinem 30. Geburtstag. Es war mein Wunsch. Ich wollte es kritisch lesen, schließlich war ich der Meinung, dass Inszenierung und Authentizität sich vollkommen ausschließen (müssten).

Der Leser wird hier in sechs Szenen (Requisiten, Kulisse, Publikum, Schauspieler, Aufführung, Erfolg) von Anfang an in die Künste der Produktinszenierung mitgenommen. Mein damaliger Marketinglehrer wäre begeistert von diesem Buch. Ob Machbarkeitsstudie, Zielgruppenanalyse, Produktlebenszyklus, Gästebindung, Sinnesansprache, Erwartungshaltungen, Erfolgsmessung – den Return on Investment (ROI) sollte man schließlich nicht dem Zufall überlassen!

Und genau das ist für große Unternehmen die wichtigste Voraussetzung, schließlich tragen Sie Verantwortung für eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Hier muss das Motto gelten „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“. Ich möchte mal behaupten, den meisten Betreibern (=Angler) würde der Wurm (=Produkt) auch schmecken, schließlich sind sie häufig Ideengeber und selbst Teil des strategischen FIT (vgl. Seite 203 + 204) aus Betreiber, Konzept, Standort. Aber die Wünsche der Gäste (=Fische) und deren Bedürfnisse sind nun mal der Hauptfokus. Wer seine Zielgruppe nicht kennt und analysiert, der verliert.

Es gibt indes noch eine andere Herangehensweise, außerhalb des Buches. Hier wird das Motto einfach mal umgedreht – „der Wurm muss dem Angler gefallen, dann gefällt er auch den Fischen“ – ökonomisch mutig, ich weiß ;-). Bei diesem Beispiel denke ich an die Vielzahl der feinen Plätzchen, die sich mit IHREM Lebenstraum an den Start getraut haben. Ob hier vorab alle strategischen Marketinginstrumente voll ausgeschöpft und Konzeptentwickler herangezogen wurden, wage ich zu bezweifeln. Der Authentizität tut es zumindest keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Und genau DAS suchen wir Gäste doch. Das Echte. Wie gern trifft man Menschen, die ihren ganz eigenen Traum leben? Die ein Hotel, ein Zimmer, ein Café ganz nach ihren Wünschen ausstatten, ohne vorab monatelang darüber nachzudenken, wie sich nun genau die Zielgruppe definiert und ob diese das genau so schön findet. Hauptsache man ist mit Begeisterung pur am Werk. DAS springt auf die Gäste über. DAS schafft ein Erlebnis. Etwas Nichtalltägliches. Einen Mehrwert. Vielleicht sogar einen Schubs in die Richtung, selbst als Gast seine Träume zu verwirklichen ❤ .

Damit will ich nicht behaupten, dass man die ökonomischen Basics eines Betriebes außer Acht lassen sollte. „Lage, Lage, Lage“ – und sollte diese aus vorgegebenen Anlass vielleicht suboptimal sein, dann sollten zumindest ein paar pfiffige USPs vorhanden sein. Darüber hinaus muss man sich natürlich auch mittels diverser Werbemaßnahmen Bekanntheit verschaffen.

Die Quintessenz zur Authentizität:

Man muss unterscheiden, welche Ziele mit einem „Wurm“ (=Produkt) angestrebt werden. Lebenstraum vs. Return on Investment kooperieren bestenfalls. Und trotzdem sind sie Grund verschieden. Solange der Wurm „rund“ ist und man sich als Fisch (=Gast/Konsument) von Anfang bis Ende von ihm begeistern kann, ist die Inszenierung perfekt und jeden Cent wert. Ja, man könnte fast sagen, sie ist authentisch. Die Alltagsflucht gelingt.

Für mich persönlich bleibt aber eine zufällige Situation, eine Begegnung, ein Gespräch das wahre Erlebniss. Eben weil es vollkommen ungeplant und nicht arrangiert ist. Weil es einfach das Leben ist, das sich in KEIN Konzept dieser Welt pressen lässt!

P.s. Eines Tages landet man vielleicht zufällig in einem feinen Plätzchen… Ohne Popcorn, ohne Zuckerwatte, ohne Musik und ohne nasse Füße. Aber trotzdem mit glänzenden Augen und einem tanzenden Herz. Weil man merkt, dass die Verwirklichung eines Lebenstraumes gar nicht so utopisch ist, wie man denkt. Man braucht vor allem Zitat: „Kreativität und Authentizität – zwei Erfolgsfaktoren, die mit Geld nicht zu erwerben sind“. Vielen Dank liebe Autoren Prof. Dr. Axel Gruner, Prof. Dr. Burkhard von Freyberg und Katharina Phebey für dieses treffende Schlusswort Ihres Buches.